Der Abstieg des Westens

Das wirtschaftliche Gewicht des Westens sinkt seit Jahrzehnten, während andere aufsteigen. Werfen wir einen näheren Blick auf diese Entwicklung.

Die ökonomischen Gewichte auf der Welt verschieben sich rasant, wie die folgenden Daten des „Internationalen Währungsfonds“ zeigen:

Folie1

* Prognose

** Angaben für 1980 lediglich für die Bundesrepublik

***Angaben für 1980 nicht vorhanden

Abseits der obigen Zahlenkolonnen lässt sich die Entwicklung auch beeindruckend graphisch darstellen. Unter den „E3“ sind die Angaben für Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen gefasst:

Folie2

Wenn wir die Kräfteverhältnisse des Westens (E3, Japan und USA) mit der „BRIC“ (Brasilien, Russland, Indien und China) vergleichen, erhalten wir folgendes Bild:

Folie3

Steinmeier weist darauf hin, dass es übertriebene Vorstellungen über die wirtschaftliche Stärke Deutschlands (und letztlich des gesamten Westens) gibt (s. meinen Beitrag vom 23.6.16). Dabei schränkt der Aufstieg anderer Erdteile die Gestaltungsmöglichkeiten unseres Landes und des gesamten Westens tendenziell und zunehmend ein.

Die Erfahrung und auch die ökonomische Entwicklung sprechen dafür, dass der Westen einseitige und krisenverschärfende Maßnahmen (wie Irak 2003 oder Libyen 2011) unterlassen muss. Die Gestaltungsmacht des Westens sinkt, sein Ehrgeiz, die Welt nach seinem Bild zu gestalten, ist jedoch gestiegen. Man nennt dies „wertorientierte Außenpolitik“.

Andere Staaten sollten, ja müssen verstärkt eingebunden werden, um Konflikte einzuhegen und einer Lösung näher zu bringen. Syrien oder auch „Minsk“ sind, wenngleich labile, aktuelle Beispiele hierfür.

Und Russland? Reicht der Anteil Russlands an der weltweiten Wirtschaftsleistung aus, um auf Dauer ein eigenständiger Pol der Weltpolitik zu bleiben?

Mit einem Blick auf die Zahlen und deren Tendenz müsste man sagen: Nein.

Präsident Putin scheint das ähnlich zu beurteilen, er sagte im Oktober 2011 öffentlich: „Ich kann einfach nicht sehen, wie die Völker, die in diesem Kulturraum [zwischen Lissabon und Wladiwostok] leben, ein respektiertes Zentrum der internationalen Politik und Macht bleiben können, ohne ihre Energien zum Nutzen künftiger Generationen zusammenzuschließen. Entweder bündeln wir unsere Kräfte, oder wir werden nach und nach die internationale Bühne verlassen und Platz für andere machen.“

So ist es. – Dies kann, aber muss nicht bedeuten, in Zukunft einen europäischen Bundesstaat aufzubauen. Viele Menschen haben den Eindruck, dass dieser Versuch vorschnell – und an ihren Interessen vorbei – unternommen wurde.

Mit einer Ausgrenzung und Schwächung Russlands schneidet sich der Westen ins eigene Fleisch: Es stärkt Tendenzen, eine Weltordnung neben oder gar gegen den Westen zu bauen, der im relativen Abstieg begriffen ist. Und es könnte ein isoliertes Russland letztlich dazu nötigen, sich an China anzulehnen. Das wäre vor allem für Russland von Nachteil, aber auch für den Westen.

Weitere Beiträge zu langfristigen Tendenzen finden Sie unter: http://www.cwipperfuerth.de/2012/11/17/wie-sich-die-gewichte-auf-der-welt-verschieben-eine-anmerkung/; http://www.cwipperfuerth.de/2013/01/23/rangliste-der-grosten-wirtschaftsmachte/; http://www.cwipperfuerth.de/2015/06/13/die-wirtschaftliche-dominanz-des-westens-schwindet/; http://www.cwipperfuerth.de/2015/06/16/griechenland-und-die-ukraine-wie-der-westen-sich-selbst-ein-bein-stellt/; http://www.cwipperfuerth.de/2015/06/22/brics-schafft-alternativen-zum-westlich-dominieren-finanzsystem/

Quelle der Angaben zu den obigen Graphiken (selbst zusammengestellt): https://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2015/02/weodata/weorept.aspx?pr.x=34&pr.y=5&sy=1980&ey=2020&scsm=1&ssd=1&sort=country&ds=.&br=1&c=223%2C924%2C922%2C132%2C134%2C534%2C158%2C112%2C111&s=PPPSH&grp=0&a=