Die Krim – der Machtwechsel

Die Ursachen und Hintergründe der Entwicklung auf der Krim sind höchst umstritten. Die einen stellen fest, das russische Eingreifen auf der Halbinsel habe die Ukrainekrise, die dabei gewesen sei sich zu beruhigen, von neuem gefährlich entfacht und sei ein atemberaubend kaltschnäuziger und zumindest in Europa seit Jahrzehnten beispielloser Völkerrechtsbruch gewesen. Andere argumentieren, Russlands Handeln sei lediglich eine Reaktion auf den Umsturz in Kiew und letztlich nicht nur verständlich und angemessen, sondern durchaus völkerrechtsgemäß gewesen.
In diesem Beitrag werden die Entwicklungen von Ende Februar/Anfang März nachgezeichnet, in weiteren Teilen, die in den nächsten Tagen folgen werden, wird es um die Motive Russlands und die völkerrechtliche Einschätzung gehen.
Am 28. Februar, einem Freitag, übernahmen sehr gut ausgerüstete und offensichtlich trainierte Bewaffnete die Macht auf der Krim. Der Kreml bezeichnete sie als örtliche Selbstverteidigungskräfte, über die er keine Kontrolle besitze. Außenminister Steinmeier forderte Moskau auf, die Soldaten nur im Rahmen des russisch-ukrainischen Pachtvertrags über die Schwarzmeerflotte von 1997 einzusetzen.
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Seines Erachtens handelte es sich also um russische Soldaten, deren Einsatz jedoch völkerrechtlich gedeckt sein könnte. CIA-Direktor John Brennan äußerte sich ähnlich. Steinmeier thematisierte nicht, dass die Soldaten keine Hoheitsabzeichen trugen, was dem Völkerrecht widersprach. Von Kiew verlangte der deutsche Außenminister, die russische Minderheit im Land zu schützen, also eine ukrainisch-nationalistische Politik zu unterlassen sowie Sorgen hiervor ernst zu nehmen. US-Außenminister John Kerry hingegen erklärte, in diesem Jahrhundert könne man, anders als im 19., nicht mehr unter gänzlich fadenscheinigen Vorwänden Invasionen durchführen. In Russland dachte man an den Irakkrieg der USA im Jahre 2003 und fühlte sich provoziert. Der polnische Regierungschef Donald Tusk erklärte, für sein Land gehe es um eine „Frage von Sein oder Nichtsein“ und forderte, die Modernisierung der polnischen Streitkräfte zu beschleunigen.
Der Westen sandte also teils Signale aus, die Krise durch Härte und die Bereitschaft zu einer Eskalation lösen zu wollen (Kerry Tusk), vor allem deutsche Politiker wollten den Verhandlungsweg gehen.
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Bundeskanzlerin Merkel ließ am 3. März, einem Montag, nach einem Telefonat mit Russlands Präsident Putin mitteilen, Moskau sei mit der Einrichtung einer „Kontaktgruppe“ zur Lösung der Krise einverstanden. Auf der Sondersitzung der Außenminister der EU-Länder fand die sofortige Verhängung von Sanktionen auf Betreiben Berlins an diesem Tag keine Mehrheit, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Die Kontaktgruppe kam jedoch nicht zustande: Moskau war nicht bereit, die seit dem 23. Februar neue Führung der Ukraine rundweg als legitim anzuerkennen. Kiew wiederum war nur gesprächsbereit, falls Russland seine Einheiten von der Krim zurückziehe. Der gescheiterte Ausgleichsversuch entfremdete Deutschland und Russland weiter: In Berlin herrschte der Eindruck vor, der Kreml habe die Gesprächsbereitschaft Deutschlands nicht honoriert und Berlin somit bloßgestellt. Russland schien in dieser Sicht unnachgiebig auf Maximalpositionen zu beharren. Moskau hingegen wähnte, Deutschland habe mit der Kontaktgruppe v.a. beabsichtigt, Russland ohne Aussicht auf eine Gegenleistung hierfür, zur Anerkennung einer nationalistischen Revolutionsführung zu verleiten. Sowohl in Berlin als auch in Moskau war das Vertrauen in die Bereitschaft der anderen Seite guten Willens zu sein, ernsthaft beschädigt.
Der Kurs Deutschlands verhärtete sich. Am 6. März beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs, die Verhandlungen über Visaerleichterungen und ein neues EU-Russland-Abkommen auszusetzen. Es wurden weitere Maßnahmen angedroht, falls der Kreml nicht „in den nächsten Tagen“ Verhandlungen mit Kiew aufnehme. Letztlich wurden somit einseitige Schritte Moskaus gefordert, nämlich die Anerkennung der neuen ukrainischen Führung und die Aufgabe der Krim. Ein Entgegenkommen wurde nicht angeboten, beispielsweise, eine international überwachte Abstimmung auf der Halbinsel zu unterstützen. Es gab auch keine deutliche Mahnung an Kiew, z.B. hinsichtlich des Minderheitenschutzes, der Sprachenfrage (http://www.cwipperfuerth.de/2014/05/ukraine-meinungsumfrage/) oder der Untersuchung der Verbrechen auf dem Maidan (http://www.cwipperfuerth.de/2014/03/die-toten-des-maidan/). Die EU stellte sich bedingungslos auf die Seite der neuen Kiewer Führung.

 

Quellen der Abbildungen:

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