Der Kaukasuskrieg vom August 2008 – Die Vorgeschichte – 1. Teil

Am 8. August 2008 wurde ein Krieg in Südossetien entfesselt. In diesen Tagen jährt sich der Ausbruch der Feindseligkeiten also zum fünften Mal. Aus diesem Anlass werde ich in nächster Zeit mehrere Beiträge schreiben, denn die politischen Auswirkungen dieses Waffengangs waren und sind beträchtlich. Zunächst wird es um die Entwicklungen gehen, die zum Blutvergießen führten, später um den Verlauf und die Konsequenzen des Kriegs.

Eduard Schewardnadse, sowjetischer Außenminister unter Michail Gorbatschow, wurde 1995 Präsident Georgiens.

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(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/78/Eduard_shevardnadze.jpg)

Seit Mitte der 90er Jahre galt sein Land als Schlüsselverbündeter der USA in der Region, und erhielt die dem Umfang nach dritthöchsten amerikanischen Hilfszahlungen nach Israel und Ägypten.

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(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/02/Shevardnadze_and_Clinton_Sign_an_Investment_Treaty.jpg)

Es gelang jedoch nicht, dem georgischen Gemeinwesen Handlungsfähigkeit zu verleihen. Das Land wies zahlreiche Merkmale eines gescheiterten Staates auf. Die Steuereinnahmen waren so niedrig, dass externe Kredite und Zuschüsse nach Angaben der Weltbank im Jahre 2001 50% des Staatshaushaltes ausmachten. Im August 2003 beschlossen internationale Finanzorganisationen, Georgien keine Kredite und Zuschüsse mehr zu gewähren, und die EU stellte weitere Hilfen kurz darauf nur unter der Bedingung substanzieller Reformen in Aussicht.

Im Spätherbst 2003 stand Schewardnadse zudem wegen des Vorwurfs der Wahlfälschung unter erheblichem politischem Druck. An den Demonstrationen beteiligten sich, von zwei Gelegenheiten abgesehen, jedoch nicht mehr als 5000 Menschen. Die Situation war in dieser Hinsicht mit derjenigen in Armenien und Aserbaidschan vergleichbar, wo die jeweiligen Führungen jedoch die Bereitschaft und Fähigkeit zeigten, einen Umsturz zu verhindern. Nach den Wahlen in Aserbaidschan, die lediglich einen Monat zuvor stattgefunden hatten und in großem Ausmaß manipuliert worden waren, hatten die USA Präsident Ilham Alijew umgehend gratuliert. In Georgien jedoch stellte die US-Regierung die Authentizität der Wahlergebnisse vom November 2003 mit deutlichen Worten in Frage, erstmals im postsowjetischen Raum. Die US-amerikanische Erklärung wurde in Georgien weit verbreitet, und machte deutlich, dass die Regierung der Vereinigten Staaten, die von vielen Georgiern als Patron ihres Landes betrachtet wurde, Schewardnadse seine Unterstützung entzogen hatten. Ein Sieg der Opposition war vor dieser Stellungnahme möglich, nach dieser war er nahezu sicher.

Schewardnadse trat zurück und sein Nachfolger Michail Saakaschwili wurde mit 97% der Stimmen gewählt. Die russische Seite war nicht der Ansicht, dass es sich bei der Rosenrevolution um einen echten Volksaufstand gehandelt habe, sondern sah ihn von außen vorbereitet. Der Kreml betrachtete die Eile, mit der westliche Mächte der neuen Führung gratulierten, als unangemessen. Russland sah die Umstände des Abgangs des bisherigen Präsidenten zwar mit Widerwillen, spielte während des Umbruchs und der darauffolgenden Monate jedoch eine konstruktive Rolle. Es hoffte auf eine Entkrampfung der seit Jahren angespannten Beziehungen zu Georgien. Der Kreml deutete jedoch an, dass Russland auch in der Lage sei Druck auf Tiflis auszuüben.

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(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fd/Amtseinf%C3%BChrung_Saakaschwili.jpg)

Saakaschwili, der in den USA studiert hatte, wurde in Anwesenheit sowohl des US- als auch des russischen Außenministers vereidigt. Letzterer betonte, dass es wegen Georgien zu keinen Komplikationen zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus kommen werde, und Saakaschwili unternahm seine erste Auslandsreise nach Moskau. Die russischen Verantwortlichen zeigten sich nach dem Besuch sichtlich erleichtert, es mit einem Politiker zu tun zu haben, mit dem man sprechen kann, und die russische Presse reagierte geradezu enthusiatisch. Saakaschwili bezeichnete Putin als einen äußerst begabten Staatsmann mit Weitblick, und Russland willigte ein, seine beiden umstrittenen georgischen Militärbasen rascher aufzulösen, als zuvor konzediert worden war. Es wurde zudem bekannt, dass beide Länder vor dem Abschluss eines Abkommens standen, das ausländische Militärstützpunkte in dem Südkaukasusland untersagt. Georgien sicherte aber nicht zu, bündnisfrei zu bleiben, sondern der neue Präsident betonte wiederholt, dass der NATO-Beitritt das wichtigste außenpolitische Ziel seines Landes sei. Beide Seiten pflegten jedoch eine freundliche Rhetorik, und von Russland kam zumindest die Ankündigung substanzieller Zugeständnisse.

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(Quelle: http://archive.kremlin.ru/eng/text/images/107035.shtml)

Der neue georgische Präsident machte bereits zu Beginn seiner Amtszeit, wie auch in den folgenden Jahren,deutlich, dass die Herstellung der territorialen Integrität des Landes zu seinen vorrangigen Zielen gehört. Er schwor bei seinem Amtsantritt am Grabe König David IV., das Land wieder zu vereinen.

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(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c8/Gelati-Georgien1.jpg)

Unter diesem König hatte Georgien zu Begin des 12. Jahrhunderts seine größte territoriale Ausdehnung erlangt und umfasste zu dieser Zeit neben dem heutigen Georgien zudem bspw. ganz Armenien und beträchtliche Teile Aserbaidschans.

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(Karte: Don-kun, Lizenz: Creative CommonsAttribution-Share Alike 3.0 Unported  / Kurz

Unter der Wiederherstellung der territorialen Einheit verstand Saakaschwili nicht nur Abchasien und Südossetien, die sich zu Beginn der 1990er Jahre in Kriegen von Georgien abgespalten hatten, für die sich die Beteiligten wechselseitig verantwortlich machten. Bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt kam Saakaschwili seinem erklärten Ziel einen großen Schritt näher: Anfang Mai 2004 wurde der Präsident Adschariens friedlich entmachtet. In der Region lebten mit 370.000 Einwohnern etwa 9% der Bürger Georgiens, die 10% seiner Wirtschaftsleistung erbrachten.

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(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/32/Karte_Georgien22.png)

Der Herrscher Adschariens hatte sich als Gefolgsmann Russlands ausgegeben und wurde von einflussreichen Kreisen unterstützt, beispielsweise vom Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow. Der Kreml, der in der Region noch über einen Militärstützpunkt verfügte, hielt sich jedoch demonstrativ zurück als die georgischen Zentralbehörden den adscharischen Machthaber ausbooteten. Saakaschwili suspendierte danach die seit 130 Jahren bestehende Autonomie des Gebietes georgischer Muslime. Der Europarat bemängelte die unzureichenden Rechte, die Adscharien nach der Machtübernahme durch die georgischen Zentralbehörden gewährt wurden. In Südossetien und Abchasien wuchs die Sorge, dass sich Russland in deren Konflikten auf die georgische Seite schlagen könnte.