NATO-Manöver in der Ukraine

Die geplanten Übungen besitzen unter militärischem Gesichtspunkt kein großes Gewicht. Ukrainische und westliche Soldaten haben bereits seit den 1990er Jahren gemeinsame Übungen auf ukrainischem Territorium durchgeführt. Die Ukraine war das erste Land des postsowjetischen Raums, das mit der NATO kooperierte („Partnership for Peace“). Die Manöver werden erst im Mai beginnen, sich bis in den Herbst hinziehen und mit insgesamt nur einigen tausend beteiligten westlichen Soldaten keinen großen Umfang besitzen. Insofern könnte man sie als Routine bezeichnen. Sie sind nicht geeignet, akute militärische Sorgen auf russischer Seite zu wecken.

      Die angekündigten Übungen sind aber ein politisches Signal von erheblichem Gewicht.

      1. Die ukrainische Übergangsregierung besitzt – ohne eine Legitimation durch die Wähler – nur ein beschränktes Mandat. Sie sollte keine Maßnahmen ergreifen, die Spannungen erhöhen, sie sollte das Gegenteil versuchen. Sämtliche Umfragen der vergangenen 20 Jahre belegen aber eine deutliche Skepsis der großen Mehrheit der Bevölkerung gegenüber einer Annäherung an die NATO. Unter dem „pro-westlichen“ Präsident Wiktor Juschtschenko konnten zwischen 2005 und 2010 zahlreiche anberaumte Übungen zwischen ukrainischen und westlichen Soldaten aufgrund des Widerstands der Bevölkerung (Blockaden von Straßen und Häfen u.a.) nicht oder nicht wie geplant stattfinden. Die Militärübungen konnten in der Vergangenheit ungestört nur unter ukrainischen Präsidenten durchgeführt werden, die (zu Unrecht) als „russlandfreundlich“ galten. In der Ukraine wird es vermutlich zu massiven Protesten gegen die Übungen kommen, die eskalieren könnten.

          2. Das ukrainische Parlament votierte zwar ohne Gegenstimmen für die Manöver, knapp die Hälfte der Abgeordneten nahm an der Abstimmung aber nicht teil. Es wird sich um Parlamentarier handeln, die die Übungen zwar ablehnen, sich aber nicht in der Lage sehen, dies auch öffentlich zu bekunden. Dies ist ein besorgniserregendes Anzeichen für das innenpolitische Klima innerhalb der Ukraine.

          3. Insbesondere Deutschland hat verhindert, dass der Ukraine und Georgien 2008 eine konkrete Perspektive auf einen NATO-Beitritt eröffnet wurde. Außenminister Steinmeier erklärte am 1. April 2014 zudem, dass er eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ablehne. Es gibt innerhalb des Bündnisses auch andere Stimmen. Aus verschiedenen Gründen halte ich es aber für zweifelhaft, dass eine NATO-Aufnahme der Ukraine gegenwärtig und in näherer Zukunft wahrscheinlicher ist als etwa vor acht oder zehn Jahren. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wahrscheinlicher geworden wäre, was Russland zu Gegenmaßnahmen veranlassen könnte. – Wobei ich hier nicht diskutieren möchte, ob russische Gegenmaßnahmen nachvollziehbar oder gar berechtigt sind.

Allein die Ankündigung der Übungen verschärft die Spannungen, die Ukraine braucht aber eine Deeskalation. Und nicht nur sie.